Wie kam es zur Preiserhöhung bei Wien Energie?
Die Wien Energie Vertrieb GmbH & Co KG (Wien Energie) hatte in ihren AGB, die bis zum 15.8.2022 gültig waren, einmal im Jahr eine Preisanpassung, die sich an Indexwerten orientiert, vorgesehen. Durch die Anfang August kurzfristig angekündigte AGB-Änderung hat die Wien Energie eine Klausel eingeführt, die einmalig eine Preiserhöhung mit 1.9.2022 vorsieht – und in den folgenden Jahren eine Preisanpassung jeweils am 1.4. und 1.10. Dabei sollen sich die Preisänderung jeweils an Indexwerten (ÖSPI bzw ÖGPI für Arbeitspreis und VPI für Grundpreis) orientieren.
Mit den Schreiben, die nach dem 15.8.2022 versendet wurden, hat die Wien Energie dann über diese Preiserhöhung informiert. Jedoch soll diese Preiserhöhung gar nicht in Kraft treten, sondern die Kund:innen auf einen Tarif umgestellt werden, der derzeit zwar etwas günstiger als die Preise nach der angekündigten Preiserhöhung wären, aber viel teurer als die bis zum 1.9.2022 geltenden Preise.
Welche Möglichkeiten sieht das Schreiben der Wien Energie vor?
Das Schreiben der Wien Energie sieht drei Möglichkeiten vor:
- Wenn Sie nichts unternehmen, dann will Wien Energie Sie automatisch auf den neuen OPTIMA Entspannt Tarif umstellen.
- Wenn Sie mit der Antwortkarte oder im Internet die Freitage einfordern, dann erhalten Sie (zusätzliche) Freitage für Ihren Strom- und Gastarif.
- Wenn Sie der Umstellung widersprechen, dann bleiben Sie in Ihrem alten OPTIMA Tarif.
Habe ich sonst noch Möglichkeiten?
Sie können natürlich auch Ihren Vertrag mit Wien Energie beenden. Ob es gerade ein besseres Angebot bei einem anderen Anbieter gibt, können Sie im Tarifkalkulator der E-Control überprüfen.
Hat der neue Tarif für mich Vorteile?
Für die Stromtarife gilt: Derzeit ist der neue OPTIMA Entspannt günstiger als der alte. Das bleibt auch bei steigenden oder gleichbleibenden Großhandelspreisen so. Sollten die Gas- und Strom-Indexwerte jedoch signifikant sinken, dann kann der alte Tarif wieder günstiger werden (vor allem wenn der VPI nicht unerwartet stark steigt). Das liegt daran, dass die Wien Energie bei ihrem OPTIMA Entspannt einen von den AGB abweichenden Preisanpassungsmechanismus gewählt hat.
Für die Gastarife gilt: Der neue OPTIMA Entspannt ist momentan nur aufgrund der "gratis Tage" günstiger als der alte OPTIMA.
Die Wien Energie sieht für den OPTIMA Entspannt eine andere Preisanpassung vor, als in den soeben geänderten AGB. Was gilt?
Es gelten beim neuen OPTIMA Entspannt die abweichenden – im Preisblatt angeführten – Anpassungsmodalitäten. Diese sehen jährliche Preisanpassungen am Tag des Vertragsschlusses vor.
Bei einem Verbleib im alten OPTIMA-Tarif gelten die Anpassungsmodalitäten, wie in den AGB beschrieben. Nach den AGB ist eine Preisanpassung jeweils am 1.4. und 1.10. jeden Jahres vorgesehen.
Bei beiden Tarifmodellen sind die Preisanpassungen indexgebunden. Jedoch berechnen sich die Preisanpassungen für die beiden Tarife nach einer jeweils anderen Formel. Das erschwert die Vergleichbarkeit erheblich.
Die Wien Energie ändert also zuerst in den AGB die Preisanpassungsmöglichkeiten, um dann zwei Wochen später von diesen durch ein Preisblatt abzuweichen zu wollen? Warum?
Dafür haben wir keine Erklärung. Das Vorgehen der Wien Energie halten wir für nicht nachvollziehbar.
Die Fristen kommen mir alle sehr kurz vor: Ist das zulässig?
Ob die Fristen zulässig sind, ist derzeit offen. Unsere Rechtsabteilung ist damit beschäftigt, alle Details der Preisanpassung genau zu prüfen.
Angeblich wird man automatisch umgestellt: Stimmt das?
Die Wien Energie möchte tatsächlich alle Kund:innen – ohne Zustimmung von diesen – auf den neuen Tarif OPTIMA Entspannt umstellen.
Kann ich einfach so auf einen anderen Tarif umgestellt werden?
Wir sehen dafür keine gesetzliche Grundlage.
Ich verstehe das Vorgehen von Wien Energie nicht. Für mich ist alles undurchsichtig. Geht es nur mir so?
Wir bekommen viele Rückmeldungen von Konsument:innen, die mit der Situation überfordert sind. Die Vorgangsweise der Wien Energie ist tatsächlich sehr komplex und sehr schwer durchschaubar. Wir hoffen, dass dieses FAQ etwas mehr Klarheit schaffen kann.
Was soll ich jetzt tun?
Darauf können wir keine pauschale Antwort geben. Um diese Frage zu beantworten, müsste man wissen wie sich Indizes, also die Börsenpreise für Strom und Gas in Zukunft, verändern.
Für Strom gilt: Sollten die Strom-Indexwerte signifikant sinken, dann kann der alte OPTIMA wieder günstiger werden als der neue OPTIMA Entspannt (vor allem wenn der VPI nicht unerwartet stark steigt). Im anderen Fall ist der OPTIMA Entspannt günstiger.
Für Gas gilt: Der neue OPTIMA Entspannt ist nur aufgrund der 70 "gratis Tage" günstiger. Da aber der neue OPTIMA Entspannt nach einem vollkommen anderen Index, als der alte OPTIMA angepasst wird, ist ein Vergleich darüber hinaus nur sehr schwer möglich.
Wenn Sie die Gratis-Strom-Tage oder Gratis-Gas-Tage anfordern, dann sollten Sie zur Sicherheit festhalten, dass Sie diese nur unter Vorbehalt der rechtlichen Prüfung anfordern, dass die Preiserhöhung und Vertragsumstellung zulässig waren. Dazu können Sie ein Schreiben oder E-Mail an die Wien Energie schicken oder auf der Antwortkarte vermerken: „Vorbehaltlich der Zulässigkeit der Preiserhöhung bzw. Tarifumstellung“. Bitte heben Sie eine Kopie Ihres Vorbehaltes auf.
Wie lange habe ich Zeit der automatischen Umstellung auf OPTIMA Entspannt zu widersprechen?
Dazu findet sich kein Hinweis im Schreiben. Sofern die Umstellung rechtlich überhaupt zulässig ist, halten wir eine Frist von vier Wochen ab Erhalt des Schreibens für angemessen. Auf der sicheren Seite sind Sie, wenn Sie vor 1.9.2022 widersprechen.
Am Preisblatt steht "gültig ab 1. Juli 2022 bis 30. September 2022", was bedeutet das? Ab wann und wie lange gilt der neue Preis?
Die Preise sollen laut Wien Energie ab 1.9.2022 gelten. Die Wien Energie verspricht für den OPTIMA Entspannt dann diese Preise für ein Jahr zu halten und erst wieder am 1.9.2023 bzw. genau ein Jahr nach Vertragsabschluss zu erhöhen.
Der Preis laut Preisblatt nach Wechsel entspricht nicht dem angepriesenen Preis, sondern ist plötzlich höher. Welcher Preis gilt wirklich?
Die Preise sind nach unserer Recherche genau die gleichen. Für Verwirrung kann sorgen, dass am Preisblatt auch der Gesamtpreis, also der Preis samt Netzgebühren ausgewiesen wird. Die Wien Energie stellt zwar den Gesamtpreis in Rechnung, die Netzgebühren müssen aber an den Netzbetreiber abgeführt werden und kommen daher nicht der Wien Energie zu und sind von dieser nicht zu beeinflussen. Die Netzgebühr bleibt unverändert. Schon bisher haben Wien Energie-Kund:innen die Netzgebühr mit der Wien Energie Stromrechnung bezahlt.
Was macht der VKI?
Wir sehen an mehreren Stellen bei dieser Preisumstellung die Interessen von Konsument:innen beeinträchtigt. Wir prüfen daher derzeit eine Klage gegen die Wien Energie.
Gibt es eine Sammelklage seitens VKI?
Der VKI wird das rechtliche Vorgehen prüfen. Wenn wir rechtlich gegen Unternehmen vorgehen, klären wir die Rechtslage in der Regel durch eine Verbandsklage. Erst in einem zweiten Schritt folgt dann eine allfällige Sammelklage. Derzeit ist daher keine Anmeldung beim VKI möglich. Wir werden im Fall einer Sammelklage medial und hier auf verbraucherrecht.at berichten.
Wie lange dauert es, bis der VKI gegen die Wien Energie vorgeht?
Selbst wenn der VKI eine Klage einbringen sollte, wird die rechtliche Klärung unter Umständen Jahre brauchen. Sie müssen sich daher unabhängig von der Klage des VKI für eine Variante entscheiden. Wir werden uns aber im Falle einer erfolgreichen Klage dafür einsetzen, dass alle betroffenen Konsument:innen eine angemessene Entschädigung von Wien Energie bekommen.
Ich habe gehört, dass ich meinen Anspruch auf die Energiepreisbremse/den Energiepreisdeckel verliere, wenn ich die „gratis Tage“ in Anspruch nehme. Stimmt das?
Diese medial verbreiteten Aussagen stammen nicht vom VKI. Wir wissen nicht wie dieses Instrument von der Politik ausgestaltet sein wird. Für uns ist nicht nachvollziehbar, auf welcher Grundlage vor einem Verlust dieser Unterstützungsmaßnahmen gewarnt wird. Das vor allem deshalb, weil durch die „gratis Tage“ nicht einzelne Tage im nächsten Jahr gratis sind. Die „gratis Tage“ sind vielmehr ein rechnerischer Rabatt, der in der Jahresabrechnung die Energiekosten reduziert. Dabei wird der Jahresverbrauch durch 365 gerechnet und mit der Anzahl der jeweiligen „gratis Tage“ multipliziert. Somit werden durch „gratis Tage“ keine bestimmten Tage kostenlos, sondern der Rechnungsbetrag bei der Jahresabrechnung reduziert. Bei den „gratis Tagen“ handelt es sich somit um eine Rechengröße.
Warum bekomme ich weniger „gratis Tage“, wenn ich die Antwortkarte zurücksende und nicht das Online-Formular verwende?
Das müssen Sie die Wien Energie fragen. Wir halten diese Ungleichbehandlung – vor allem von älteren Menschen ohne Internetzugang – für äußerst ärgerlich und können den Unmut verstehen.
ERGÄNZUNG vom 1.9.2022: Ich habe der automatischen Umstellung auf den Tarif „OPTIMA Entspannt“ widersprochen. Trotzdem ist jetzt im Kundenkonto vermerkt, dass mein Vertrag umgestellt wurde. Was soll ich tun?
Mit Eingang des Widerspruchs bei der Wien Energie wird dieser wirksam. Auch wenn Wien Energie im System eine Vertragsumstellung vornimmt, ist diese nach einem Widerspruch jedenfalls unzulässig. Wir gehen daher davon aus, dass die Umstellung von Wien Energie rückgängig gemacht wird. Sollte die Rückumstellung nicht binnen der nächsten Wochen erfolgen, dann sollten Sie Wien Energie erneut auf Ihren Widerspruch hinweisen. Bewahren Sie eine Kopie der Widerspruchsschreiben an die Wien Energie gut auf, um im Streitfall nachweisen zu können, dass ein Widerspruch erfolgt ist.