Die EVN betreibt ein Energievertriebsunternehmen. Sie besitzt keine eigenen Produktionsstätten für Strom und Gas; die gesamte Energiemenge, die sie an ihre Kund:innen absetzt, wird zugekauft.
Der VKI beanstandete zwei von der EVN im Geschäftsverkehr gegenüber Konsument:innen verwendete AGB-Klauseln betreffend die indexbasierte Preisanpassung, wobei sich eine Klausel auf die Lieferung von elektrischer Energie bezieht und die andere Klausel auf die Lieferung von Erdgas.
Klausel 1 (Strom):
„Für die erste indexbasierte Änderung aufgrund dieser Allgemeinen Lieferbedingungen gilt: Ist der ÖSPI-Monatswert für August 2022 („Index-Vergleichswert“) um mehr als 4 Punkte höher oder niedriger als der jeweilige Index-Ausgangswert, wird der Verbrauchspreis im gesamten Ausmaß der jeweiligen prozentuellen Index-Veränderung (kaufmännisch gerundet auf zwei Kommastellen) ab dem 01.09.2022 erhöht oder gesenkt.“
Klausel 2 (Gas):
„Für die erste indexbasierte Änderung aufgrund dieser Allgemeinen Lieferbedingungen gilt: Ist der Durchschnitt der letzten 12 veröffentlichten Werte des ÖGPI 2019 („MA* - 12 Monate“) für Juli 2022 („Index-Vergleichswert“) um mehr als 4 Punkte höher oder niedriger als der jeweilige Index-Ausgangswert, wird der Verbrauchspreis im gesamten Ausmaß der jeweiligen prozentuellen Index-Veränderung (kaufmännisch gerundet auf zwei Kommastellen) ab dem 01.09.2022 erhöht oder gesenkt.“
Faktische Preiserhöhung
Die Allgemeinen Lieferbedingungen (ALB) der EVN 2021 sahen bereits eine Preisgleitklausel vor, nach der der Energiepreis einmal jährlich entsprechend dem ÖSPI bzw dem ÖGPI angepasst werden konnte. Mit der Änderung auf die ALB 2022 führte die Beklagte neue Stichtage ein (Oktober und April statt bisher Jänner). Zusätzlich wurde mit den oben angeführten Klauseln 1 und 2 am 15.08.2022 eine Preisänderung per 01.09.2022 eingeführt. Reich sprachlich sind die Klauseln zwar zweiseitig ausgestaltet und würden sowohl eine Preiserhöhung als auch eine Verringerung der Preise ermöglichen. Zum Zeitpunkt der Einführung der ALB 2022 stand aber fest, dass eine signifikante Preiserhöhung eintritt, weil die der Preisänderung zu Grunde liegenden Werte bereits bekannt waren. In ihrer konkreten Anwendung sind die Klauseln daher eine einseitig vorgenommene Preiserhöhung durch die EVN.
Beide Klauseln intransparent iSd § 6 Abs 3 KschG
Das Transparenzgebot begnügt sich nicht mit formeller Textverständlichkeit, sondern verlangt, dass Inhalt und Tragweite vorgefasster Vertragsklauseln für Verbraucher:innen durchschaubar sind. Die beiden Klauseln führten eine bereits feststehende Preiserhöhung ein. Demgegenüber suggeriert sowohl der Klauseltext wie auch das Informationsschreiben der EVN, dass eine Preiserhöhung, aber auch eine Preisminderung möglich ist. Aufgrund dieser irreführenden Formulierung verstoßen die Klauseln gegen das Transparenzgebot (§ 6 Abs 3 KSchG).
Ausblick
Das OLG Wien hat die ordentliche Revision an den OGH zugelassen; das Urteil ist also noch nicht rechtskräftig. Sofern die Entscheidung des OLG Wien rechtskräftig werden sollte oder der OGH diese bestätigt, stehen betroffenen Verbraucher:innen nach Auffassung des VKI Rückzahlungsansprüche für die aufgrund der unzulässigen Preiserhöhung gezahlten Mehrbeträge gegen die EVN zu.
OLG Wien 01.10.2024, 3 R 92/24g
Klagsvertretung: RA Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien