Allgemeines
Die Beklagte betreut ca 1,6 Mio Stromzähler. Seit dem Jahr 2009 arbeitet sie an einem Projekt über den Austausch der analogen Zähler auf „smarte Zähler“.
Die Beklagte räumt den Kunden folgende Auswahlmöglichkeiten ein:
- Standardkonfiguration: Hierbei werden die mittels intelligenter Messgeräte aufgezeichneten Tageswerte des Stromverbrauchs an den Energieversorger übertragen.
- Opt-In-Konfiguration: Hierbei werden neben den Tageswerten auch die Viertelstundenwerte übertragen.
- Opt-Out-Konfiguration: In solch einem Fall werden mit dem digitalen Messgerät weder Viertelstunden- noch Tages- oder Monatswerte gespeichert und übertragen; die entsprechenden Funktionen sind deaktiviert. Gespeichert und übertragen wird lediglich der jährliche Verbrauch.
Als intelligente Messgeräte („Smart Meter“) werden jene Geräte bezeichnet, die entweder die Standardkonfiguration oder die Opt-In-Konfiguration aufweisen. Hingegen umfassen digitale (elektronische) Zähler Messgeräte, die mit der Opt-Out-Konfiguration ausgestattet sind.
Bei der Standardkonfiguration und der Opt-in-Konfiguration können die Kund:Innen in bestimmten zeitlichen Abständen den aktuellen Stromverbrauch online einsehen. Die Daten der Kund:Innen werden im System der Beklagten gespeichert und auf dem Webportal dargestellt. Dies gilt jedoch nicht für Kund:Innen, die das Opt-Out gewählt haben. In diesem Fall werden keine laufenden Datenaufzeichnungen getätigt. Der Unterschied zum bisherigen analogen Zähler besteht darin, dass die Daten einmal pro Jahr extern ausgelesen werden und es nicht mehr erforderlich ist, die Daten von jemandem vor Ort auslesen lassen zu müssen.
Der Smart Meter erfasst Verbrauchsdaten und überträgt sie dann verschlüsselt an die Beklagte. Erst bei der Beklagten werden diese Daten dem jeweiligen Haushalt zugeordnet und zugriffsgeschützt in ihrem persönlichen Webportal dargestellt. Ein Rückschluss auf die Lebensgewohnheiten der Kund:Innen kann nicht erzielt werden.
Unterlassungsklage eines Endverbrauchers
Ein Endverbraucher klagte darauf, dass es die Beklagte zu unterlassen habe, das an der Messstelle des Klägers bereits installierte analoge Messgerät („Ferraris“-Zähler) durch ein intelligentes Messgerät zu ersetzen, in eventu dies nicht ohne seine ausdrückliche Einwilligung zu machen. Die vom Kläger im Verfahren erhobenen Bedenken richten sich gegen die Verwendung der neuen (der IME-VO entsprechenden) Messeinrichtungen wegen bestimmter Funktionalitäten, wodurch die Beklagte in die Lage versetzt wird, bestimmte personenbezogene Daten des Klägers zu verarbeiten. Die Klage wurde abgewiesen.
Nach dem zwischen den Streitteilen bestehenden Vertrag ist die Beklagte zum Einbau einer neuen Messeinrichtung, die eine zuverlässige und den gesetzlichen Bestimmungen entsprechende Erfassung der Verbrauchswerte ermöglicht, grundsätzlich berechtigt.
DSGVO-konform
Informationen über den Stromverbrauch des Klägers innerhalb eines bestimmten Zeitraums weisen einen Personenbezug auf; es handelt sich dabei nach dem weiten Begriffsverständnis um personenbezogene Daten iSd Art 4 Z 1 DSGVO. Die Erfassung, Speicherung und das Auslesen dieser Informationen stellen eine Datenverarbeitung iSd Art 4 Z 2 DSGVO durch die Beklagte als gemäß Art 4 Z 7 DSGVO Verantwortliche dar.
Die Verarbeitung dieser personenbezogenen Daten ist zulässig gemäß Art 6 Abs 1 lit b DSGVO (Erforderlichkeit der Datenverarbeitung für die Erfüllung des Vertrages).
Auch nach der Rsp des VfGH wird in der – im vorliegenden Fall relevanten – Opt-Out-Konfiguration gemäß § 1 Abs 6 IME-VO, in der ein (intelligentes) Messgerät nur die Funktion eines (digitalen) Standardstromzählers erfüllt, den berechtigten Interessen an einer Auslesung und Abgrenzung des jährlichen Stromverbrauchs im Hinblick auf die durch § 1 DSG bzw Art 8 EMRK geschützten (personenbezogenen) Daten der Antragstellerin in verhältnismäßiger Weise Rechnung getragen (V 178/2021; vgl auch 9 Ob 82/21f).
Insgesamt spricht die für die (in der Regel: Jahres-)Abrechnung durchgeführte Datenverarbeitung weder gegen den Einbau noch die Verwendung einer dazu fähigen Messeinrichtung.
Kein Verstoß gegen § 16 ABGB (Kein Eingriff in die Grundrechtssphäre)
Der Kläger sieht die Gefahr, dass die Messeinrichtung von der Beklagten aus der Ferne so konfiguriert werden könnte, dass trotz des Opt-Out-Wunsches und unbemerkt erheblich mehr personenbezogene Daten gespeichert, übertragen und verarbeitet würden, und sieht darin eine nach der DSGVO nicht gerechtfertigte Datenverarbeitung und einen Eingriff in seine Grundrechtssphäre (§ 16 ABGB).
Gemäß § 16 ABGB hat jeder Mensch angeborene, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte und ist daher als Person zu betrachten. Die Bestimmung anerkennt die Persönlichkeit als Grundwert. Aus ihr wird – ebenso wie aus anderen durch die Rechtsordnung geschützten Grundwerten (Art 8 EMRK; § 1 DSG) – das jedermann angeborene Persönlichkeitsrecht auf Achtung seines Privatbereichs und seiner Geheimsphäre abgeleitet.
Die Rsp des OGH bejaht eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Privatsphäre (Geheimsphäre) bereits dann, wenn sich die Person durch die Überwachungsmaßnahme einer Videokamera kontrolliert fühlen musste, und zwar selbst dann, wenn es sich dabei nur um eine Attrappe handeln sollte, auch weil die betroffene Person insoweit keinerlei Kontrollmöglichkeit hat.
Der Einbau und die Verwendung einer Messeinrichtung, die bei entsprechender Konfiguration auch weitere Daten des Klägers verarbeiten könnte, ist mit den genannten Fällen nicht vergleichbar. Erstens dient die Messeinrichtung – anders als eine Videokamera – nicht der Überwachung eines privaten Verhaltens, sondern nur dem Erfassen des Stromverbrauchs. Zweitens steht im vorliegenden Fall fest, dass die eingestellte Konfiguration zu jeder Zeit auf dem Display des Messgeräts ersichtlich ist und selbst bei der Opt-In-Variante – also bei Aktivierung der gesamten Funktionalität der Messeinrichtung – ein Rückschluss auf die Lebensgewohnheiten der Kunden nicht erzielt werden kann.
Mit dem Einbau und der Verwendung der beabsichtigten Messeinrichtung an sich ist daher weder eine der DSGVO widersprechende Datenverarbeitung noch eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Geheimsphäre (§ 16 ABGB) verbunden, die ihren Einbau oder ihre Verwendung unzulässig machen würden. Auf die vom Kläger thematisierte Frage, ob eine über die Funktionalität der Opt-Out-Variante hinausgehende Datenverarbeitung (etwa zur Aufrechterhaltung eines sicheren und effizienten Netzbetriebs) nach der Rechtsprechung des EuGH gerechtfertigt sein könnte, muss daher nicht eingegangen werden.