Der Generalanwalt schlägt in seinen heutigen Schlussanträgen dem EuGH vor, die DSGVO dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die es Verbänden zur Wahrung von Verbraucherinteressen erlaubt, unter den Gesichtspunkten des Verbots der Vornahme unlauterer Geschäftspraktiken, des Verstoßes gegen ein Verbraucherschutzgesetz oder des Verbots der Verwendung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen gegen den mutmaßlichen Verletzer des Schutzes personenbezogener Daten Klage zu erheben, wenn die betreffende Verbandsklage auf die Wahrung von Rechten gerichtet ist, die den Personen, die von der beanstandeten Verarbeitung betroffen sind, unmittelbar aus dieser Verordnung erwachsen.
So sei es den Mitgliedstaaten immer noch gestattet, bestimmten Einrichtungen die Möglichkeit einzuräumen, ohne Auftrag der betroffenen Personen und ohne dass vorgebracht werden müsste, dass konkrete Fälle im Hinblick auf individuell bezeichnete Personen vorlägen, Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher zu erheben, wenn ein Verstoß gegen Bestimmungen dieser Verordnung geltend gemacht werde, mit denen den betroffenen Personen subjektive Rechte verliehen werden sollten.
Dies sei bei der Unterlassungsklage des Bundesverbands gegen Facebook Ireland der Fall.
Der Generalanwalt führt ferner aus, dass die Datenschutz-Grundverordnung nationalen Bestimmungen nicht entgegenstehe, die einen Verband zur Wahrung von Verbraucherinteressen die Befugnis verliehen, über Vorschriften zum Schutz der Verbraucher oder zur Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken eine Unterlassungsklage zur Wahrung der durch diese Verordnung verliehenen Rechte zu erheben.
Solche Vorschriften können nämlich ähnliche Bestimmungen wie die der DSGVO enthalten, insbesondere in Bezug auf die Information der betroffenen Personen über die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten. Folglich könne ein Verstoß gegen eine Vorschrift zum Schutz personenbezogener Daten gleichzeitig zu einem Verstoß gegen Vorschriften über den Verbraucherschutz oder unlautere Geschäftspraktiken führen.
Nach Auffassung des Generalanwalts kommt die Wahrung der Kollektivinteressen der Verbraucher durch Verbände dem Ziel der Datenschutz-Grundverordnung, ein hohes Schutzniveau für personenbezogene Daten zu schaffen, besonders entgegen.
Schlussantrag des Gutachters de la Tour 2.12.2021, C-319/20 (facebook/vzbv)
Anmerkungen:
1. Der EuGH ist nicht an Schlussanträge gebunden, folgt diesen aber meist.
2. Das Verfahren hat auch große Bedeutung für Österreich und etwa den VKI. So hat der OGH in einem VKI-Verfahren (6 Ob 77/20x) ebenfalls dem EuGH (C-701/20) eine sehr ähnliche Vorlagefrage vorgelegt. Im österreichischen Anlassfall hatte der VKI über § 28 KSchG eine Klage gegen einen Autovermieter eingebracht und dabei ua einen Verstoß gegen Art 25 Abs 2 DSGVO (Privacy by default; Grundsatz der Datenminimierung) vorgebracht. Die Gerichte haben wegen der österreichischen Vorlage die meisten VKI-Verbandsverfahren, in denen Verstöße gegen die DSGVO vorgebracht wurden, unterbrochen.