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Urteil: Gesetzwidrige Klauseln zur Sitzplatzreservierung der Laudamotion

Der VKI klagte im Auftrag des Sozialministeriums die Laudamotion GmbH. Verfahrensgegenstand sind Klauseln in den AGB und in den FAQ („frequently asked questions“), die im Zusammenhang mit der Sitzplatzreservierung stehen. In erster Instanz wurden alle eingeklagten Klauseln für unzulässig befunden.

1. (AGB 6.1) Es gibt bei allen Flügen zugewiesene Sitzplätze. Wir behalten uns jederzeit das Recht vor Sitzplätze zuzuweisen und auf einen anderen Sitzplatz umzuändern, wenn dies aus operativen oder Sicherheitsgründen notwendig ist.

(FAQ) Wir behalten uns das Recht vor, Sitzplätze aus betrieblichen oder sicherheitstechnischen Gründen jederzeit neu zuzuweisen.

Die Klausel spricht lediglich von „zugewiesenen Plätzen“, die es auf jedem Flug gebe, ohne klarzustellen, ob damit (auch) entgeltlich reservierte Sitzplätze gemeint sind oder nur diejenigen Sitze zugewiesen werden, bei denen keine Sitzplatzreservierung besteht; weiters, ob bei entgeltlich reservierten Sitzplätzen auch auf ein Versetzen auf einen Sitzplatz niedrigerer Kategorie möglich ist. Unklar und intransparent ist die Klausel auch deswegen, weil für den Durchschnittsverbraucher nicht ersichtlich ist, aus welchen Gründen eine Änderung des Sitzplatzes vorgenommen werden kann. Insgesamt ist Klausel 1 unklar und intransparent und verstößt somit gegen § 6 Abs 3 KSchG.

Weiters sieht die Klausel ein einseitiges Änderungsrecht der Beklagten vor und verstößt gegen § 6 Abs 2 Z 3 KSchG, weil der Änderungsvorbehalt aufgrund seiner Unbestimmtheit sachlich nicht gerechtfertigt und somit unzumutbar ist.

Auch ein Verstoß gegen § 864a ABGB wurde bejaht: Ein Kunde muss nicht damit rechnen, dass eine eigens von ihm zugekaufte Leistung des Unternehmen von diesem nach Belieben des Unternehmens jederzeit wieder geändert werden kann.

 

2. (AGB/Regelung zu bestimmten Themen/Familienbuchungen) Die Sitzplatzreservierung wird obligatorisch fuer wenigstens einen Erwachsenen um ein Sitz kostenfrei fuer ein Kind zu bekommen. Maximal vier Kinder können die Plaetze bekommen mit einem Vollzahler.

Klausel 2 schreibt eine obligatorische Sitzplatzreservierung für einen mit Kindern unter 12 Jahre reisenden Erwachsenen vor.

Die AGB der Beklagten sehen vor, dass Kinder unter 12 Jahren jedenfalls von einem Erwachsenen begleitet werden und neben diesem sitzen müssen. Die zusätzlichen Gebühren fallen bei Reisen mit Kindern unter 12 Jahren daher in jedem Fall an. Es handelt sich nicht um fakultative Zusatzkosten, sondern vielmehr um einen unvermeidbaren und vorhersehbaren Bestandteil des Flugpreises. Die Verpflichtung, dass Kinder neben einem Erwachsenen sitzen müssen, stellt demnach eine vertragliche Nebenleistungspflicht der Beklagten dar, für die bereits aus diesem Gesichtspunkt kein gesondertes Entgelt verlangt werden darf. Dies ergibt sich aus Art 23 VO (EG) Nr. 1008/2008.

Die Klausel ist gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB, da Reisenden mit Kindern unter 12 Jahren durch die obligatorische Sitzplatzreservierung zwingend höhere Kosten entstehen. Den Kunden wird für eine zwingend in Anspruch zu nehmende Leistung, die eine vertragliche Nebenleistungspflicht festlegt, ein gesondertes Entgelt abverlangt, was  gegen § 879 Abs 3 ABGB verstößt.

 

3. (AGB/Regelungen zu bestimmten Themen/Familienbuchungen) Die Erwachsenen, die Sitzplaetze kaufen bekommen den Preis von 4 euro. Man hat die Wahl die Standartplaetze, die Reihe 18 bis 33. Diese Sitzplätze werden kostenlos sein.

Klausel 3 verstößt gegen das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG. Zum einen ist sie aus sprachlichen Gründen unverständlich. Weiters ist die Klausel in sich widersprüchlich, da zunächst davon die Rede ist, dass der Kauf eines Sitzplatzes EUR 4,-- beträgt, während in weiterer Folge davon gesprochen wird, dass der Sitzplatz kostenlos sei.

 

4. (AGB/Regelung zu bestimmten Themen/Familienbuchungen bzw. FAQ) Wenn wegen der großen Nachfrage, die Standard-Sitzplätze für € 4.00 in den Reihen [18-33] (AGB)/ [18-30] (FAQ) nicht verfügbar sind, können Erwachsene, die zum Kauf der Sitzplätze verpflichtet sind, andere Sitzplätze auswählen oder neue Flugdaten angeben. Kostenlose Sitzplätze für Kinder werden dann in den Reihen 11-15 hinzugefügt. Für Flüge im Juli und im August werden die Kinder auch verpflichtet sein, die Preisdifferenz für den Sitzplatz zuzuzahlen.

Auch Klausel 4 ist unklar und unverständlich, da aus ihr nicht hervorgeht, welchen Preis die Vertragspartner der Beklagten letztlich zu zahlen haben.

Unklar bleibt auch, was unter der von der Klausel angesprochenen Differenz zu verstehen ist. Laut Gebührentabelle beträgt der reguläre Preis für die Reihen 11-15 EUR 4,--, für obligatorische Familiensitze EUR 6,-- (vgl Klausel 5) und nach Klausel 3 wiederum EUR 4,--.

Weiters verstößt die Klausel gegen § 879 Abs 3 ABGB. Da bei der Auslegung von AGB immer die „kundenfeindlichste“ Auslegung heranzuziehen ist, ergibt sich, dass selbst bei Bezahlung der zusätzlichen Gebühr nicht sichergestellt ist, dass man nebeneinanderliegende Sitzplätze erhält, bzw. dass ein mit Kindern reisender Erwachsene möglicherweise nur dann neben den Kindern sitzen kann – wozu er ja verpflichtet ist –, wenn er eine weitere Gebühr für seinen eigenen Platz und allenfalls sogar für die Plätze der Kindern bezahlt, sollte in bestimmten Reihen kein Platz mehr verfügbar sein.

Außerdem verstößt sie gegen Art 23 VO (EG) Nr. 1008/2008 (s dazu schon Klausel 2).

 

5. (Gebührentabelle) Obligatorische Familiensitze Gebühren von [Spalte Euro (EUR) bzw. dem entsprechenden Betrag in der jeweiligen Landeswährung] € 6.00 [Spalte: Ryanair.com/la/de] € 6.00 [Spalte: Nach der Buchung /Flughafen] Erwachsene, die mit Kindern unter 12 Jahren (ohne Kleinkinder) reisen, müssen einen reservierten Platz pro Flug kaufen. Bis zu 4 Kinder (unter 12 Jahren) erhalten kostenlos reservierte Plätze (Plätze in den Reihen 18-33) [Spalte: Mehr Informationen]

Im Unterschied zu Klausel 3 und 4, die einen Preis von EUR 4,-- nennen, schreibt Klausel 5 für die „obligatorischen Familiensitze“ einen Preis von EUR 6,-- vor. Bereits aus diesem Grund verstößt die Klausel gegen das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG, da es für den Durchschnittsverbraucher völlig unklar ist, wie hoch der Preis, den ein mit Kindern unter 12 Jahren Reisender zu tragen hat, letztlich ist.

Weiters verstößt auch Klausel 5 aus den zu Klausel 2 ausgeführten Gründen gegen § 879 Abs 3 ABGB und gegen Art 23 VO (EG) Nr. 1008/2008.

 

6. (FAQ/Was ist die Sitzplatzzuweisung) Die Gebühren für eine Sitzplatzwahl betragen min. 5,00 EUR pro Flug. Weitere Informationen finden Sie in unserer Gebührentabelle.

Laut Klausel 6 betragen die Gebühren für die Wahl eines Sitzplatzes mind. EUR 5,--, wobei sie auf die Gebührentabelle verweist. Die Gebührentabelle sieht für die Sitzplatzreservierung von Standardsitzplätzen ihrerseits allerdings eine Gebühr von mind. EUR 4,-- vor. Auch Klausel 3 und 4 legen einen Preis von EUR 4,-- fest. Aufgrund dieses Widerspruchs ist die Regelung insgesamt unklar und nicht transparent und verstößt daher gegen § 6 Abs 3 KSchG

 

7. Kunden, die Flugdaten/-strecken oder Namen ändern, können Ihren sitzplatzzuweisungen (sic!) nicht auf das neue Datum bzw. den neuen Flug/Namen übertragen. Die Sitzplatzreservierungsgebühr ist nicht erstattbar, außer in den unter Artikel 4.2, 10.2, 1.3 und 10.4 erwähnten Fällen.

Insbesondere im Fall der Namensänderung ist der Verfall der bereits entgeltlich erworbenen Sitzplätze für den Vertragspartner der Beklagten ohne Zweifel sowohl nachteilig als auch überraschend und verstößt folglich gegen § 864a ABGB. Sie verstößt aus dem gleichen Grund auch gegen § 879 Abs 3 ABGB.

Auch bezüglich der Änderung der Flugdaten verstößt die Klausel sowohl gegen § 864a ABGB und § 879 Abs 3 ABGB.

Zuletzt steht die Klausel auch im Widerspruch zu einem anderen Punkt in den „FAQ“, wonach im Fall einer Umbuchung eine Differenz zu begleichen ist, wenn die neuen Sitze mehr kosten, weshalb dieser Teil der Klausel auch gegen § 6 Abs 3 KSchG verstößt.

Das Urteil ist rechtkräftig.

LG Korneuburg 21.12.2020, 5 Cg 63/19s

Klagsvertreter: Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien

 

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