Zum Inhalt

OGH verneint Wucher beim „Erbensucher“

Ein Erbensucher verlangte 25 % des Wertes des zufallenden Nachlasses. Laut OGH lag hier keine Zwangslage des Erben vor.

Die Rechtsfolge der Unwirksamkeit eines Vertrags wegen Wuchers iSd § 879 Abs 2 Z 4 ABGB setzt a) das auffallende Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, b) die mangelnde Möglichkeit der Wahrung der Äquivalenz durch den Bewucherten wegen Leichtsinns, Zwangslage, Verstandesschwäche, Unerfahrenheit oder Gemütsaufregung sowie c) die Ausnützung der Lage des Bewucherten durch den Wucherer voraus.

Im konkreten Fall wurde das Vorliegen von Wucher (auch) mangels Vorliegens der vom Erben behaupteten Zwangslage iSd § 879 Abs 2 Z 4 ABGB verneint:

Eine Zwangslage iSd § 879 Abs 2 Z 4 ABGB ist dann anzunehmen, wenn der Vertragspartner vor die Wahl gestellt ist, in den Vertrag einzutreten oder einen Nachteil zu erleiden, der nach vernünftigem Ermessen schwerer wiegt, als der wirtschaftliche Verlust, den der Vertrag zur Folge hat. Hingegen liegt keine Zwangslage vor, wenn durch das Nichtzustandekommen eines Vertrags kein anderer Nachteil eintritt, als dass der angestrebte Gegenstand des Vertrags nicht erreicht wird. Der Entgang der Chancen gewinnbringender Geschäfte kann also keineswegs als Zwangslage gewertet werden.

Der beklagte Erbe vereinbarte mit der klagenden Erbenermittlerin die Leistung einer Vergütung iHv 25 % des Werts des ihr aus der Verlassenschaft nach ihrem Cousin, zu dem die Beklagte schon lange keinen Kontakt mehr gehabt hatte, weshalb sie auch nichts von seinem Ableben wusste, zukommenden Vermögens. Der im Abschluss des Vertrags liegende „Nachteil“ des Erben besteht also lediglich darin, der Klägerin einen Teil jenes Vermögenswerts abgeben zu müssen, den er ohne deren Tätigkeit überhaupt nicht erhalten hätte. Darin ist aber (entgegen der vom LG ZRS Wien zu AZ 34 R 28/20z vertretenen Auffassung) keine Zwangslage iSd § 879 Abs 2 Z 4 ABGB zu erblicken.

Bei Fehlen einer der Voraussetzungen des Wuchertatbestands kann ein Geschäft nur dann nach § 879 Abs 1 ABGB nichtig sein, wenn ein dem fehlenden Tatbestandsmerkmal gleichwertiges, den individuellen Fall prägendes, besonderes zusätzliches Element der Sittenwidrigkeit hinzukommt. Die Beklagte hat allerdings kein Vorbringen erstattet, aus dem sich ein solches zusätzliches (also über das Vorbringen, das geeignet wäre, den Wuchertatbestand zu erfüllen, hinausgehendes) Element der Sittenwidrigkeit ableiten ließe.

Auf das allfällige Vorliegen eines – vor Kenntnis der Höhe des der Beklagten tatsächlich zukommenden Erbes noch gar nicht beurteilbaren – Missverhältnisses zwischen dem Aufwand der Klägerin und der vereinbarten Gegenleistung kommt es daher nicht mehr an.

OGH 21.6.2023, 3 Ob 102/23f

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

zupfdi.at: VKI informiert über mögliche Rückforderungsansprüche betroffener Verbraucher:innen

zupfdi.at: VKI informiert über mögliche Rückforderungsansprüche betroffener Verbraucher:innen

Der OGH hat mit Beschluss vom 25.01.2024 (4 Ob 5/24z) das Geschäftsmodell der gewerblichen „Besitzschützer“ hinter der Website www.zupfdi.at für rechtswidrig erkannt. Das HG Wien hat in VKI-Verbandsverfahren ua die Unzulässigkeit von Klauseln über die Abtretung der Besitzschutzansprüche und die Einräumung von Mitbesitz an den bewachten Liegenschaften bestätigt. Nach Rechtsauffassung des VKI ergeben sich aus diesen Entscheidungen Rückforderungsansprüche der betroffenen Verbraucher:innen, die Zahlungen an „Zupf di“ getätigt haben.

Unterlassungserklärung der Sanag Health Care GmbH

Der VKI hat – im Auftrag des Sozialministeriums – die Sanag Health Care GmbH wegen acht Klauseln in ihrem Mietvertrag für ein Leihgerät abgemahnt. Die Sanag Health Care GmbH hat zu allen Klauseln eine Unterlassungserklärung abgegeben.

EuGH: keine Tragung von Verfahrenskosten durch Verbraucher:innen bei missbräuchlichen Vertragsklauseln

EuGH: keine Tragung von Verfahrenskosten durch Verbraucher:innen bei missbräuchlichen Vertragsklauseln

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) äußerte sich kürzlich zu offenen Auslegungsverfahren der Klausel-Richtlinie (RL 93/13/EWG) und der Verbraucherkredit-Richtlinie 2008 (RL 2008/48/EG). Das Urteil vom 21.03.2024 (C-714/22, Profi Credit Bulgaria) betrifft ein bulgarisches Vorlageverfahren; die Aussagen des Gerichtshof sind jedoch auch für österreichische Verbraucher:innen von Relevanz.

LG Klagenfurt: Verbandsklagen-Richtlinie unmittelbar anwendbar

LG Klagenfurt: Verbandsklagen-Richtlinie unmittelbar anwendbar

Der Verein zum Schutz von Verbraucherinteressen (VSV) hatte die Energie Klagenfurt GmbH auf Unterlassung der Verrechnung einer Gemeindebenützungsabgabe geklagt. Das Landesgericht Klagenfurt wies die Klage inhaltlich ab, bestätigte aber die Aktivlegitimation der klagenden Partei gestützt auf die (von Österreich nicht umgesetzte) EU-Verbandsklagen-Richtlinie. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

zupfdi.at: „Besitzschutz“-Website – 6 Klauseln in AGB unzulässig

zupfdi.at: „Besitzschutz“-Website – 6 Klauseln in AGB unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die Fumy – The Private Circle GmbH wegen sechs unzulässiger Klauseln in deren AGB/Vertragsformblättern für die Nutzung des über die Website „zupfdi.at“ betriebenen Abmahnservices bei behaupteten Besitzstörungen durch Kfz geklagt. Betreffend drei dieser Klauseln war bereits am 5.12.2023 ein Teilanerkenntnisurteil des Handelsgerichts Wien (HG Wien) ergangen. Nunmehr erkannte das HG Wien in seinem Endurteil auch die drei übrigen Klauseln für rechtswidrig. Das Endurteil ist rechtskräftig.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang