Die Rechtsfolge der Unwirksamkeit eines Vertrags wegen Wuchers iSd § 879 Abs 2 Z 4 ABGB setzt a) das auffallende Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, b) die mangelnde Möglichkeit der Wahrung der Äquivalenz durch den Bewucherten wegen Leichtsinns, Zwangslage, Verstandesschwäche, Unerfahrenheit oder Gemütsaufregung sowie c) die Ausnützung der Lage des Bewucherten durch den Wucherer voraus.
Im konkreten Fall wurde das Vorliegen von Wucher (auch) mangels Vorliegens der vom Erben behaupteten Zwangslage iSd § 879 Abs 2 Z 4 ABGB verneint:
Eine Zwangslage iSd § 879 Abs 2 Z 4 ABGB ist dann anzunehmen, wenn der Vertragspartner vor die Wahl gestellt ist, in den Vertrag einzutreten oder einen Nachteil zu erleiden, der nach vernünftigem Ermessen schwerer wiegt, als der wirtschaftliche Verlust, den der Vertrag zur Folge hat. Hingegen liegt keine Zwangslage vor, wenn durch das Nichtzustandekommen eines Vertrags kein anderer Nachteil eintritt, als dass der angestrebte Gegenstand des Vertrags nicht erreicht wird. Der Entgang der Chancen gewinnbringender Geschäfte kann also keineswegs als Zwangslage gewertet werden.
Der beklagte Erbe vereinbarte mit der klagenden Erbenermittlerin die Leistung einer Vergütung iHv 25 % des Werts des ihr aus der Verlassenschaft nach ihrem Cousin, zu dem die Beklagte schon lange keinen Kontakt mehr gehabt hatte, weshalb sie auch nichts von seinem Ableben wusste, zukommenden Vermögens. Der im Abschluss des Vertrags liegende „Nachteil“ des Erben besteht also lediglich darin, der Klägerin einen Teil jenes Vermögenswerts abgeben zu müssen, den er ohne deren Tätigkeit überhaupt nicht erhalten hätte. Darin ist aber (entgegen der vom LG ZRS Wien zu AZ 34 R 28/20z vertretenen Auffassung) keine Zwangslage iSd § 879 Abs 2 Z 4 ABGB zu erblicken.
Bei Fehlen einer der Voraussetzungen des Wuchertatbestands kann ein Geschäft nur dann nach § 879 Abs 1 ABGB nichtig sein, wenn ein dem fehlenden Tatbestandsmerkmal gleichwertiges, den individuellen Fall prägendes, besonderes zusätzliches Element der Sittenwidrigkeit hinzukommt. Die Beklagte hat allerdings kein Vorbringen erstattet, aus dem sich ein solches zusätzliches (also über das Vorbringen, das geeignet wäre, den Wuchertatbestand zu erfüllen, hinausgehendes) Element der Sittenwidrigkeit ableiten ließe.
Auf das allfällige Vorliegen eines – vor Kenntnis der Höhe des der Beklagten tatsächlich zukommenden Erbes noch gar nicht beurteilbaren – Missverhältnisses zwischen dem Aufwand der Klägerin und der vereinbarten Gegenleistung kommt es daher nicht mehr an.
OGH 21.6.2023, 3 Ob 102/23f