Die ursprünglich gebuchte Reise der Kläger (Schiffskreuzfahrt gebucht, ua nach Singapur, Indonesien und Australien) wurde am 14.2.2020 vom Reiseveranstalter mit der Begründung, dass sich in Ostasien das Covid-19-Virus (Corona-Virus) ausbreite, abgesagt. Die Kläger buchten stattdessen am 15.2.2020 eine Pauschalreise in den Oman, in der Hoffnung, dass sich der Corona-Virus dorthin nicht ausbreiten würde. Die Reise hätte von 6.3.2020 bis 19.3.2020 stattfinden sollen. Am 24. 2. 2020 wurden erstmals zwei Covid-19-Fälle im Oman bestätigt. Als die Kläger am 25.2.2020 hiervon erfuhren, traten sie noch am selben Tag schriftlich von der Reise zurück. Ob es eine Reisewarnung vom österreichischen Außenministerium für den Oman gab, hatten sie nicht geprüft; eine solche bestand zu diesem Zeitpunkt nicht. Covid-19 wurde am 11. 3. 2020 von der WHO als Pandemie eingestuft.
Die Beklagte behielt vom gezahlten Reisepreis einen Teil mit der Begründung ein, den Klägern wäre kein kostenfreier Reiserücktritt möglich.
Gemäß § 10 Abs 2 PRG kann der Reisende vor Beginn der Pauschalreise ohne Zahlung einer Entschädigung vom Pauschalreisevertrag zurücktreten, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen. Dieser Bestimmung liegt Art 12 Abs 2 der Pauschalreise-Richtlinie (2015/2302/EU) zugrunde.
Der OGH legt dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:
„1. Ist Art 12 Abs 2 der Richtlinie (EU) 2015/2302 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 25. 11. 2015 über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen dahingehend auszulegen,
- [a] dass für die Beurteilung der Berechtigung des Rücktritts nur jene unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände maßgeblich sind, die im Zeitpunkt des Rücktritts bereits aufgetreten sind,
- [b] oder dahingehend, dass auch außergewöhnliche Umstände zu berücksichtigen sind, die nach dem Rücktritt, aber noch vor dem geplant gewesenen Beginn der Reise (= spätest möglicher Rücktrittszeitpunkt) sodann tatsächlich auftreten?
Falls [a] bejaht wird:
- [aa]: Ist Art 12 Abs 2 der Richtlinie dahingehend auszulegen, dass sich der Reisende in der gerichtlichen Auseinandersetzung über die Berechtigung seines Rücktritts auch auf solche unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände berufen kann, die im Zeitpunkt seines Rücktritts bereits aufgetreten, ihm aber erst später bekannt geworden sind?
2. Ist Art 12 Abs 2 der Richtlinie dahingehend auszulegen, dass ein kostenfreies Rücktrittsrecht dann nicht zusteht, wenn die Umstände, auf die sich der Reisende stützt, bei der Buchung bereits vorgelegen haben und dem Reisenden bekannt waren?“
Anmerkung: Das Vorabentscheidungsersuchen wurde vom OGH zurückgezogen, weil die klagende Partei die Revision zurückgezogen hat.
Siehe aber das Vorlageersuchen in einem VKI-Verfahren zu 3 Ob 35/22a (EuGH C-414/22).